Rotwein schützt die Gefäße-aber nur der richtige

 

Mit seiner Veröffentlichung in der Zeitschrift Nature zu den günstigen Effekten von Rotwein auf die Endothelfunktion im Jahr 2001, hat Roger Corder, Herz-Kreislauf-Forscher am Londoner William Harvey Research Institute wesentlich dazu beigetragen, dass der Rotwein zum Trendgetränk geworden ist.

Rotweine können die Synthese des stark vasokonstriktiv wirksamen Endothelins unterdrücken, und zwar vor allem dann, wenn der Gehalt an Polyphenolen sehr hoch ist. Polyphenole gehören zu den Gerb- und Farbstoffen des Rotweins. Sie sind es, die manchen Weinen ihre sehr intensive Rotfärbung geben.

Auf 28 Endothelzellkulturen von Rindern haben die Wissenschaftler verschiedenste Rotweine aufgeträufelt, um zu sehen, was mit der Endothelfunktion passiert. Sieger der damaligen Testreihe Corders war ein Madiran "Cuvée Charles de Batz", ein südwestfranzösischer Rotwein mit einem hohen Anteil an Tannat-Trauben. Seit dieser Beobachtung sind Corder und seine Kollegen durch die halbe Weinwelt gereist, um Rotweine einzusammeln, die sie genauer analysierten.

Ziel war es, heraus zu finden, was genau jene Polyphenole sind, die tatsächlich die Blutgefäße schützen. In einer neuen Publikation in der Fachzeitschrift Nature haben die Wissenschaftler jetzt die Ergebnisse ihrer langjährigen Arbeit publiziert. Demnach sind es offenbar die so genanten Procyanidine, die die Endothelin-Synthese besonders effektiv bremsen und die somit als Kandidaten für die Erklärung des "French Paradox" in Frage kommen. Das French Paradox beschreibt das Phänomen, dass in Südfrankreich trotz einer für Blutgefäße problematischen Ernährung weniger Myokardinfarkte vorkommen als anderswo.

Auch andere Substanzen, zum Beispiel Resveratrol, wurden schon als Erklärung für das French Paradox bemüht. Das Problem dabei war immer, dass man hunderte Liter Wein pro Tag hätte trinken müssen, um die Konzentrationen zu erreichen, die in Experimenten wirksam waren", erläuterte Corder. Bei den Procyanidinen ist das anders: Sie liegen in einer Konzentration von bis zu einem Gramm pro Liter vor, was bedeuten würde, dass ein Glas Rotwein am Tag wahrscheinlich ausreicht. Allerdings: Nicht jeder Rotwein bringt es, denn der Gehalt an Procyanidinen war in den von Corder untersichten Weinen extrem unterschiedlich. Weil Polyphenole vor allem in den Kernen und in der Schale der Trauben vorkommen, gilt die grobe Regel, dass lange gekelterte Weine polyphenolreicher sind als weniger lang gekelterte Weine. Denn erst nach etwa zehn Tagen sind die Inhaltsstoffe der Kerne wirklich im Wein "angekommen". Industriell gekelterte Weine kommen dagegen oft mit vier bis fünf Tagen aus, genug, um den Wein rot zu färben, aber zu wenig, um das Endothel zu schützen.

Doch nicht nur die Dauer der Verarbeitung ist relevant. Auch die Trauben selbst spielen eine Rolle. Die Tannat-Traube beispielsweise, eine der Cabernet-Sauvignon verwandte Traubenart, ist sehr reich an Procyanidinen. Das erklärt, warum Weine aus dem südfranzösischen Departement Gers, aus dem auch der genannte Madiran kommt, in Corders Tests besonders gut abgeschnitten haben: Sie werden lange gekeltert und sind sehr reich an Tannat-Trauben. Diese Weine haben eine zehnmal höhere biologische Aktivität als moderne Weine aus der Neuen Welt. Und noch ein dritter Faktor scheint ein Wörtchen mit zu reden, die Sonne. Ein weiterer Sieger in Corders Rotwein-Wettstreit waren nämlich sardische Weine aus der Provinz um das Städtchen Nuoro, die interessanterweise für die extreme Langlebigkeit ihrer Bewohner bekannt ist. Hier gibt es keine Tannat-Trauben, dafür einige unbekanntere Rebsorten, vor allem den Cannonau.

Das Besondere an den zentralsardischen Weinen ist vor allem der relativ hohe Anbau in den Bergen. "Wir wissen, dass UV-Licht die Polyphenol-Synthese in Trauben beeinflussen kann", so Corder. UV-Licht, die Rebsorte und eine lange Kelterung, diese Faktoren könnten demnach entscheidend dafür sein, ob ein Rotwein medizinisch gesehen was taugt oder nicht. Also das empfohlene Gläschen Rotwein am Abend zur Stärkung der Gesundheit ist daher nur bedingt richtig - es kommt vielmehr darauf an, was man trinkt!